Ein Mann am Meer/Een man bij de zee, catalogustekst Kunstakademie Münster (DE)

2012
Ein Mann am Meer

Da ist immer, wenn ich schaue, ein Mann am Meer. Er angelt. Er sitzt auf einem Stuhl.
Sein Körper sitzt ruhelos auf einem kleinen Hocker, den Blick ins dunkle Wasser gerichtet. Er füllt seine Augen mit Dunkelheit und will keine Gedanken. Er wartet, aber worauf sollte er warten? Was kann man erwarten am Meeresrand, an einem kalten Tag, mittags um 14 Uhr? Vielleicht wartet er auf den Moment, dass seine Frau vorbeikommt, ihm etwas zum Essen mitbringt und eine Thermosflasche mit Tee dabei hat. Ja, bestimmt. Da ist sie schon, sie setzt sich neben ihn. Zusammen warten sie weiter. Jetzt schauen sie beide ins dunkle Wasser und füllen die Augen. Er erneuert den Köder am Haken des Drahtes, dann teilen sie gemeinsam -ich höre keinen Klang- also schweigend, ein kleines Sandwich. Ah, jetzt höre ich das Knistern eines Butterbrotspapiers. Sehr brutal! Dann sehe ich in der Ferne einen Mann, der aus seinem Auto steigt und etwas Schweres mit sich trägt. Etwas mit Beinen und aus Holz. Er beugt sich herunter, dann sehe ich, dass er eine Staffelei aufbaut, einen Schrank öffnet, Pinsel und Tuben nimmt und anfängt zu malen. Links von mir höre ich Geräusche: Schritte. Ein Jüngling mit glänzendem Haar kommt vorbei -ohne mich zu sehen- und hält eine Kamera in den Händen. Er schaut durch den Sucher, ich höre Klick und noch mal Klick und noch mal Klick. Plötzlich dreht er sich um. Was ist los? Eine junge Frau kommt angerannt, laut lächelnd schüttelt sie ihren Kopf, schaut sich um, schließt die Augen und springt ins Wasser. Weg ist sie. Drei Kinder klettern in einem Baum. Im Wald weint jemand. Ein Baby schreit irgendwo. Wo, wo bin ich? Ich rieche Kaffee und habe einen Stück Papier in der Hand. Wo bin ich? Am Meer, in der Klasse von Henk Visch.
Ich spreche laut einen Satz:
Der Köder lockt das Wort und das dunkle Meer ist das Bild.

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